Ikarusflug
Wettbewerb
Bersarinplatz, Berlin 1984

Der Entwurf legt in anschaulicher Weise den Konflikt zwischen dem Herrschaftsanspruch des Staates, einer Partei, der Diktatur einer Parteibürokratie einerseits, und der Unterdrückung des Individuums, politisch, geistig, kulturell und wirtschaftlich, andererseits auf mehreren Ebenen offen.

1. Die vorgesehenen Platzanlage wird geteilt. Entlang der Bersarinstraße entsteht ein repräsentativer Straßenraum.
Die straßenbegleitenden Bebauung wird mit Normaltypen aus dem Großplattenbausortiment unter Berücksichtigung höchster Ökonomie erstellt, um die fatalen Konsequenzen sozialistischer Baupolitik, die Stadtzerstörung bewirken, darzustellen.

Da die schematisierten und genormten Fassasden keinen Bezug zur Ortstypik zulassen (Gründerzeitbebauung), wird eine Kulissenfassade, die im Abstand zu den Fassaden montiert werden soll, vorgeschlagen. Somit suggeriert die Potemkinschen Fassaden eine Ortsbezug, der real nicht vorhanden ist.

Der Stadtraum wird als Kulisse, als Straße der Repräsentation und Demonstration des Machtapparates vorgeführt. Hier finden offizielle Aufmärsche, bestellte Demonstrationen, Maiparaden statt. Es wird ein Gefühl der Geschlossenheit, ein verordneter kollektiver Frieden interpretiert.

Fahnenmonumente am Anfang und Ende des Aufmarschraumes unterstreichen undüberhöhen den angestrebten Charakter.

2. Hinter dem Straßenraum eröffnet eine halbkreisförmige Erweiterung die Möglichkeit, induviduelle Gruppen die Chance zu geben, ihre Vorstellungen von innerem und individuellem Frieden abseits des Repräsentationsraumes zu äußern.
Es wird vorgeschlagen den desolaten Zustand der Bausubstanzals realen Bestand zu konservieren, die Brandfassaden abzunehmen und die in den Freiraum öffnenden Zellen zum Einblick freizugeben.

Aufschüttungen, Mauerreste und Elemente der Industriearchitektur des 19.Jh., aufgestellt in den zulaufenden Straßenachsen, vermitteln den vernachlässigten Zustand abseits von Repräsentationsachsen.

Höhepunkt bildet ein Kunsobjekt "Ikarusflug", eine Inszenierung für individuellen und persönlichen Frieden und Selbstbestimmung in der DDR, den die Staatsdoktrien und der kontrollierende Machtapparat autonomer Gruppen verweigert. Von einer Plattform aus kann jeder seinen Flug in die Freiheit versuchen.

Am großen Tor, das zu durchfliegen ist, trifft ihn die staatliche Gewalt, symbolisiert durch die Laserkanonen. Der Flugapparat wird zerstört, der Flug in die Freiheit verhindert, das Subjekt stürzt in die Tiefe, taucht in einen geschlossenen Zylinder und somit wird der Zusammenbruch dem Auge des Betrachters entzogen.

Auf umliegend errichteten Tribünen kann dieses Schauspiel täglich von jjedermann verfolgt werde. Ein Wassergraben zwischen Tribüne und Zylinder verhindert ein persönliches Eingreifen in den Vorgang.

3. Die persönliche Freiheit und Entfaltung war in der DDR einer zentralen Überwachung, einer anonymen Kollektivität, dem erzwungenen Beitritt zu gesellschaftlichen Organisationen ausgesetzt, um den verordneten
Grad der Unterwürfigkeit zu garantieren.

Am Beispiel der Freiflächen haben wir schematisierte Regeln einer anonymen Städtebauforschung stellvertretend zum Anlaß genommen, diesen Überwachungsstaat als Diktatur zu benennen.

Jeder hat das Recht, per Gesetz seine individuelle Freiheit auf einer zugesicherten Fläche in Anspruch zu nehmen. Diese scheinbare Individualität des einzelnen wird aber sofort eingemauert, reglementiert, überwacht, und bei Gefahr zerstört.
Das ganze Areal ist in ein System von Hierarchien gegliedert.
Die Mauerquadrate werden in Gruppen zusammengefaßt. An den Kreuzungspunkten der Gruppen stehen Türme als Symbole des Überwachungsstaaates.

4. Überwachungsstaat total. Eingriffe in die Individualität, allgegenwärtig, täglich, überall. Imaginäre Mauerquadrate begleiten uns auf unserem Lebensweg.

anfang